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Lesezeichen [ Info senden # QR-Code ] Sa 20 April 2024 07:13:49


 Pressespiegel
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Für viel Geld auf Effizienz getrimmt

Markus Heller über das "neurolinguistische Programmieren"

Auf dem Markt der sonderbaren Angebote, die zu einem erfolgreichen und glücklichen Leben verhelfen sollen, verzeichnet das neurolinguistische Programmieren derzeit die höchsten Zuwachsraten. Früher waren es die Außerirdischen, die Hilfe bringen sollten, oder man kroch gleich in einen Orgonakkumulator von Wilhelm Reich und ließ sich strahlungsmäßig aufladen. Mit NLP darf nun jeder, der es zu wissen wünscht, erfahren, daß er "alles in sich hat, was er braucht". Um das zu entdecken, sind allerdings beträchtliche Gebühren zu entrichten. Ein Wochenendkurs kostet selten weniger als 400 Mark, Fortgeschrttene oder Besserverdienende zahlen bereitwillig auch schon mal die fünffache Summe.
Bereits der Titel "Der Zauberlehrling" - eines mittlerweile in der fünften Auflage vorliegenden NLP-Übungsbuchs - zeigt, daß es bei dieser Art der Therapie offenbar nicht mit rechten Dingen zugeht. Mit NLP, wird verheißen, können die Patienten nicht nur schwere Ängste und andere psychische Störungen binnen kurzer Zeit abbauen, sich blitzschnell komplizierte Zusammenhänge einprägen, sondern auch in Beruf und Liebe enorm vorankommen. Doch nicht nur die Therapierten, auch die Therapeuten verfügen, dank der Methode offenbar über Fähigkeiten, an denen es dem Rest der Menschheit gebricht. Ein in NLP ausgebildeter Berater, verspricht das Buch, benötigt wenige Sitzungen, wo andere jahrelange Lern- oder Therapieprogramme durchführen. Am Ende der Behandlung soll dann ein auf Effizienz programmiertes menschliches Wesen stehen, das nicht nur sich selbst, sondern auch die Produkte seines Arbeitgebers optimal verkaufen kann - sogenannte Kommunikationsgenies. Unterdessen haben sich selbst Lehrer, die in neurolinguistischem Programmieren geschult sind, nach jahrelangem Bemühen nicht in solche verwandelt - wie ein jeder im Gespräch feststellen kann.
Erfunden wurde NLP von dem Mathematiker Richard Bandler und dem Lingustikprofessor John Grinder Mitte der siebziger Jahre in Kalifornien. Seine Lehrjahre verbrachte Bandler in Santa Cruz, das, wie sein Biograph Wolfgang Walker anmerkt, auch heute noch unter Esoterikern als ein "Ort der Kraft" gilt; Bandler mag sie schon damals gespürt haben. Sicher ist hingegen, daß er sich damals mit der "faszinierenden Lehre" des indianischen Zauberers Don Juan Matus beschäftigte und

Inspiriert von den
Lehren eines Zauberers

auch sonst die Strömungen seiner Zeit verinnerlichte. Dazu zählt Walker den offenen Konsum von psychedelischen Drogen wie LSD, meskalinhaltigen Substanzen und "magic mushrooms". Ähnlich wie Drogen soll nun die Sprache des NLP das Bewußtsein verändern.
Da jegliche Esoterik beansprucht, nicht an den sonst in der Wissenschaft gültigen Maßstäben gemessen werden zu dürfen, kommt auch Bandler Biograph Wolfgang Walker nicht ohne den Hinweis aus, daß Versuche, NLP anhand "traditioneller klinischer Denkmuster zu bewerten, von vornherein zum Scheitern verurteilt sind". Kritik zwecklos, nur wer an NLP glaubt, darf sich dazu äußern.
Die Psychowelle schwappte vor zehn Jahren nach Deutschland herüber. Längst schicken große Unternehmen wie Siemens, IBM, Esso, Rewe und Bayer ihre Mitarbeiter in NLP-Seminare und legen dafür beachtliche Summen auf den Tisch. Was daran überrascht, ist die Tatsache, daß niemand weiß, ob diese Investitionen überhaupt einen Gewinn nach sich ziehen.

Unternehmen schicken ihre
Mitarbeiter in die Seminare

Auch Bandler und Grinder haben es bisher vermieden, einen Erfolgsnachweis, für ihre Therapie zu liefern. "Alles, was wir euch hier erzählen werden: ist gelogen", eröffnen die beiden schon mal einen ihrer Vorträge. Ihre Lehren, führen sie aus, seien nicht wahr und sollen nur Modelle der Wirklichkeit liefern. Sollten die Techniken dann entgegen der Ankündigung nicht funktionieren, resümierte "Die Zeit", "ist die Hintertüre bereits offen: Alles ist ja nur ein Modell".
NLP beruht auf der Vorstellung, daß man sich selbst und seine Mitmenschen mit erlernten Tricks steuern und beeinflussen kann. Mittels des "Ankerns" sollen die Klienten positive Empfindungen bewußt speichern und jederzeit wieder abrufen können. Den Klienten wird vermittelt, sie müßten sich, etwa in einem Verkaufsgespräch, auf ihr Gegenüber einstellen, indem sie sich dessen Auftreten anpassen - ein Verfahren indirekter Hypnose, das die NLP-Leute Pacing nennen. Sollte diese Art der Manipulation gelingen, bei der das Selbst anscheinend vorübergehend aufgegeben wird, damit dem Gegenüber unmerklich der eigene Wille aufgezwungen wird, spricht der NLPler von einem guten "Rapport". Das heißt: Das Gegenüber reagiert dann so, wie es von ihm gewünscht wird.
Ob sich mit NLP tatsächlich "strahlende Erfolge" für die Klienten erreichen lassen und nicht nur "strahlende Gewinne" für die Therapeuten, wird denn auch von Kritikern wie Niels Birbaumer, dem Direktor des Instituts für medizinische Psychologie an der Universität Tübingen, stark bezweifelt. Er sieht nicht einmal einen Ansatz dafür, daß die NLP-Gurus den Effekt ihrer Therapie empirisch erweisen wollen. Für ihn handelt es sich bei der Modeerscheinung NLP schlicht um eine "Psychosekte".
Das interessierte Publikum läßt sich von solchen Einwänden bekanntlich nicht irritieren. Mittlerweile sind mehr als hundert Bücher zum Thema NLP auf dem deutschen Markt erhältlich, und selbst ansonsten als seriös geltende Verlage haben das Geschäft gewittert und einschlägige Ratgeber in ihr Programm aufgenommen. In jeder größeren deutschen Stadt sind private Institute aus dem Boden gesprossen; Hunderttausende dürften mittlerweile an NLP-Kursen teilgenommen haben. Zugleich lassen sich immer mehr Menschen in insgesamt neunwöchigen Veranstaltungen selbst zum NLP-Practitioner, anschließend zum Master-Practitioner und schließlich zum NLP-Trainer ausbilden. Sie dürfen darauf hoffen, die investierten zwölftausend Mark später vielfach hereinzuholen - wenn sie selbst in Sachen NLP unterweisend tätig werden und ihr Wissen gewinnbringend weitergeben.
Daß sich kaum Teilnehmer an NLP-Kursen enttäuscht äußern, wundert den Tübinger Wissenschaftler Niels Birbaumer nicht: "Erst zahlt man Tausende von Mark für so ein Seminar - und muß dann zugeben, daß es nicht geholfen hat. Da käme man sich doch lächerlich vor." Viele NLP-Schüler sind auch möglicheweise deswegen nicht enttäuscht, weil sie vorher nur diffuse Erwartungen hatten. Und für andere ist NLP eine weitere Art die Freizeit zu gestalten - neben esoterischen Wanderungen, Kristallzauber oder dem Legen von Tarotkarten.
Da der Werkzeugkasten des neurolinguistischen Programmierens eine ganze Reihe von Begriffen wie "Chunken", "Kalibrieren" oder "Reframing" enthält, die stark an den Scientology-Jargon erinnern, haben manche NLP-Schulen in letzter Zeit ihre Strategie geändert. Damit die Unternehmen auch weiterhin ihre Mitarbeiter anmelden, weiß ein NLP-Lehrer, bekommen die Seminare mittlerweile etwas unverfänglichere Titel. Auch die Abkürzung NLP taucht dann in den Seminarankündigungen nicht mehr auf.


Quelle: Stuttgarter Zeitung Nr. 56, 08.03.97.


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Der Inhalt dieser Seite wurde am 10.03.2021 um 12.44 Uhr aktualisiert.
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