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Lesezeichen [ Info senden # QR-Code ] Fr 19 April 2024 09:09:52


 Pressespiegel
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Psychologie

ANKER IM SEELENMORAST

Neurolinguistisches Programmieren, eine aus den USA importierte Mixtur der wirkungsvollsten psychologischen Behandlungsformen, ist zur Modetherapie der neunziger Jahre avanciert - mit verblüffendem Erfolg. Selbst deutsche Großkonzerne lassen ihre Manager in NLP-Kursen schulen.

O. V.

Ariane, 29, will gerade ausführlich beschreiben, wie ihr mangelndes Selbstbewußtsein sie quält, da unterbricht der Therapeut die junge Frau: "Denken Sie bitte mal an eine Situation, in der Sie in einer exzellenten Verfassung waren."

Die Sachbearbeiterin saß eben noch mit eingefallenen Schultern auf ihrem Stuhl, nun richtet sie sich ein wenig auf. Ihre Atmung wird kräftiger, ihr Gesicht bekommt Farbe, und sie schildert, wie ihr Chef sie für einen gelungenen Geschäftsbrief gelobt hat. Im suggestiven Tonfall eines Hypnotiseurs entlockt der Therapeut Ariane Details: wie sie sich danach gefühlt, was sie gesehen, gehört und gerochen hat.

Bei jeder Antwort geht es der Patientin sichtlich ein bißchen besser. Am Ende des knapp halbstündigen Dialogs wiederholt der Therapeut ein Fingerschnipsen, das die Patientin im Hochgefühl der Erinnerung unbewußt ausgeführt hatte: "Können Sie das noch einmal machen?" Ariane folgt der Anweisung - und ist im Nu wieder bestens aufgelegt.

Künftig könne sie, so ihr Gesprächspartner, das bessere Selbstwertgefühl jederzeit per Fingerschnipsen abrufen. Was die Frau da gelernt hat, heißt "Moment of Excellence"-Technik und ist eine von vielen aus dem Methodenarsenal des Neurolinguistischen Programnierens - kurz NLP.

Diese facettenreiche Mixtur aus Hypno- und Verhaltenstherapie, aus Autosuggestion, Gestalt und Familientherapie ist der wachstumsstärkste der rund 500 Therapietypen, unter denen seelenkranke Deutsche derzeit wählen können.

Seit NLP vor zwölf Jahren aus den USA in die Bundesrepublik importiert wurde, ließen sich etwa 5000 Bundesbürger zu Fachtherapeuten ausbilden; in den Psychoabteilungen von Buchläden stehen zahlreiche NLP-Titel wie "Der Zauberlehrling" oder "Triffst Du 'nen Frosch unterwegs"; 200000 Klienten ließen sich mit der Mischtherapie behandeln, die verspricht, in einer Art Crash-Kurs die Psyche zu befreien.

NLP-Anhänger führen den Boom auf das breite Anwendungsspektrum und den vielfältigen Nutzen zurück. Die Therapien

  • sind erheblich kürzer als herkömmliche Behandlungen und erfordern oft nur eine Sitzung,
  • sind als Managertraining oder Verkäuferschulung geeignet und kommen deswegen schon bei Esso, Rewe, BMW, Opel, Adidas und Bayer zum Einsatz,
  • verbessern die Kommunikaton sowohl in verfahrenen beruflichen Situationen als auch bei Partnerproblemen,
  • eignen sich für psychisch Kranke und erfolgsorientierte Gesunde gleichermaßen.

Das von ihren Anwendern als Wunderheilung im Expreßtempo gepriesene Verfahren ist das Innovativste und Eleganteste, was an Psychotraining derzeit angeboten wird. Wenngleich im therapeutischen Kontext entwickelt, sei NLP nicht auf diesen beschränkt, sondern könne nahezu überall eingesetzt werden, wo Menschen mit sich oder anderen Probleme haben.

Solch umfassende Erfolgsversprechen machten Neurolinguistisches Programmieren zum Renner. Das kantige Kürzel NLP steht, so der Kölner Dozent und Psychotherapeut Jo Schnorrenberg, "auf dem Fortbildungs-Supermarkt im vordersten Regal".

"Neuro" bezieht sich auf die Annahme, daß alle inneren Zustände, von Euphorie bis Depression, auf Nervenreizen und -reaktionen beruhen. "Linguistisch" verweist darauf, daß sie durch Sprache verändert werden können. Und "Programmieren" betont den Anspruch, eingeschliffene Denkmuster ("Ich kann nicht...", "ich bin zu dumm, zu häßlich, zu dick, zu ungebildet") verändern zu können, und zwar schnell und dauerhaft.

"NLP kann mehr als frühere Systeme und ist aus dem Trainingsbereich nicht mehr wegzudenken", meint der Limburger Kommunikationstrainer Rudolf Schnappauf. "Es liefert die Möglichkeit, einen erwünschten, positiven Zustand häufiger, schneller, leichter zu erreichen und länger aufrechtzuerhalten."

Jeder 20. Deutsche, so schätzen Experten, benötigt zumindest eine ambulante psychologische Behandlung und würde ein entsprechendes Angebot wahrnehmen. Oft schrecken aber die Kosten - Krankenkassen bezahlen nur jede 500. Behandlung - und die Dauer solcher Therapien. "Beim NLP", schwärmt hingegen eine Patientin, "gibt es nicht die üblichen Jammerstunden. Ich habe sehr schnell gelernt, in die Zukunft zu schauen und Verantwortung zu übernehmen."

Einer der vielen NLP-Lehrsätze lautet, daß Menschen bereits über alle Fähigkeiten verfügen, die sie für angestrebte Veränderungen brauchen - sie setzen sie nur nicht immer ein. Dabei könnten sie auch ohne das sonst übliche Baggern im Seelenmorast Phobien, Lernstörungen, Rauchen, Trinken, Eßsucht, Schlaflosigkeit oder Prüfungsängste überwinden.

Selbstbewußtes Auftreten, Erfolg im Job und in der Liebe, und dies nach einem einzigen NLP-Durchgang - das klingt vielversprechend. Entsprechend skeptisch reagieren klassisch ausgebildete Psychologen.

Nicolas Hoffmann, Leiter des Berliner Ausbildungsinstituts für Verhaltenstherapie, dämpft überzogene Erwartungen: "NLP offeriert zwar ein paar ganz interessante Ansätze, die aber eher Gesunden als schwer psychisch gestörten Menschen entscheidend helfen könnten." Ihm fehlen Wirksamkeitsuntersuchungen, die "über Anekdoten hinausgehen". Wer nichts gelernt habe außer NLP, ergänzt der Berner Therapie-Wirkungsforscher Klaus Grawe, "kann nicht als seriöser Therapeut betrachtet werden".

NLP-Therapeuten verfolgen die Leidensgeschichten ihrer Patienten nicht bis in die Kindertage zurück, sondern suchen nach positiven Erlebnissen. Die "innere Landkarte" soll verändert werden, die Vorstellung also, die jemand von der Welt hat.

Eine der Techniken hierfür ist das "Reframing": Klienten sollen erkennen, daß in ihren Krisen auch Chancen verborgen liegen, aus Leidenden sollen Handelnde werden, aus ängstlichen Pessimisten mutige Optimisten.

Christel Becker-Kolle, 40, die 19 Jahre lang an einer Autofahrphobie litt, hat es erlebt: "Ich habe zwei Analytiker verschlissen, 150 Stunden à 140 Mark auf der Couch verbracht und mich jahrelang nur damit beschäftigt, wie schrecklich meine Kindheit war." Der Erfolg dieser Prozedur war allerdings gleich Null.

Eine Dreiviertelstunde NLP dagegen brachte den Durchbruch: "Plötzlich konnte ich die positive Seite, die Schutzfunktion meiner Angst würdigen. Mir wurde klar, daß ich in meinem Leben noch nie einen Unfall hatte." Jetzt bewegt die Betriebswirtin souverän einen Wagen mit mehr als 100 PS über die Straßen.

Für NLP-Therapeuten sind solche Heilungen der Beweis: Hinter jedem Verhalten, jeder Angst, so unverständlich und bizarr sie Außenstehenden

"Wir glauben, daß
alle Kommunikation
Hypnose ist"

auch erscheinen mögen, steckt eine positive Absicht. Sie auszuloten schafft Zugang zu bislang verschütteten Reserven des Klienten und befreit ihn.

"Ungeheuer versöhnlich, weil es den Menschen aus dem Konflikt mit seinem Problem herausholt", findet Therapeut Schnorrenberg diesen Aspekt des NLP. Doch er sieht auch "die Illusion totaler Machbarkeit", die Umdeutung von existentiellen Leiderfahrungen in "eine Art heiterer Plausibilität".

Diese Leichtigkeit ist Psychologen alter Schule suspekt. Von den beiden Begründern des NLP, den Amerikanern Richard Bandler und John Grinder, wurde sie indes bewußt propagiert. Sie versprechen "Kontrolle über das, was in Ihrem Gehirn tatsächlich passiert" und die "bedarfsgerechtere Nutzung" des Gehims - dieses Ziel wollen sie auf kürzestem Wege erreichen.

Anfang der siebziger Jahre begannen der Informatikstudent Bandler und der Linguistikprofessor Grinder, die Arbeitsweise der drei angesehenen US-Therapeuten Fritz Perls, Virginia Satir und Milton Erickson zu analysieren. Die einzelnen Elemente ihres Erfolgs waren den Seelenforschem oft selbst nicht bewußt. Bandler und Grinder verbanden sie zum Neurolinguistischen Programm.

"Wir können eine Phobie in fünf Minuten kurieren" - mit diesem flotten Spruch verkauften sie bald ihr NLP als Kurzzeittherapie. Über Nacht wurde das Duo zu Shooting-Stars der amerikanischen Psychoszene, ihre hemdsärmelige Effizienz setzte sich rasch auf dem Psychomarkt durch.

NLP-Patienten müssen eine angsterregende Situation nicht noch einmal durchleben, sondern sehen sie gleichsam von außen, als Zuschauer - "dissoziiert" lautet der Fachbegriff. Das geschieht mittels Hypnose: Traumatische Szenen werden distanziert wie ein Film betrachtet, und so erfolgt eine leichtere Lösung aus psychischen Leiden und Verkrustungen.

Der Begriff Hypnose wird von den Amerikanern allerdings verwirrend weit gefaßt. "Wir glauben, daß alle Kommunikation Hypnose ist", sagt Grinder. "Sie ist Ziel jeder Unterhaltung. Wenn jemand zum Beispiel etwas über seinen Urlaub erzählt, so will er seinen Zuhörer in einen bestimmten Zustand versetzen, eine Ferienstimmung beschwören."

Außerdem beobachten NLP-Therapeuten systematisch die körperlichen Zustände ("Physiologien") ihrer Klienten. Als wichtigste Merkmale gelten ihnen Atmung, Gesichtsfarbe, Muskelspannung, Haltung, Blickrichtung (siehe Grafik Seite 151) sowie Tonlage und Lautstärke der Stimme.

"Wer schlecht atmet oder verspannt sitzt, kann keine Ziele formulieren, Ideen kreieren oder konstruktive Dialoge führen", erläutert der Hamburger Psychologe Thies Stahl, der NLP in Deutschland popularisierte. Er leitet dazu an, sich das positive Ziel einer Problemsituation möglichst sinnlich und konkret vor Augen zu führen. "In diesem Zustand entwickelt der Klient meist schon Ideen, wie er Kräfte zum Erreichen seines Zieles mobilisieren kann."

Besonders wichtig ist für "NLPisten" (Therapeuten-Jargon), ob ihr Gesprächspartner Eindrücke eher bildlich (visuell), nach dem Gehörsinn (auditiv), gefühlsmäßig (kinästhetisch) oder nach dem Geruchssinn (olfaktorisch) verarbeitet.

Die Sprache verrät es: Visuelle Typen "sehen, worauf es ankommt", oder können sich "ein Bild machen". Für auditiv Orientierte "klingt" etwas gut oder "es fällt der Groschen". Kinästhetiker haben "ein Gespür" oder bekommen es "in den Griff". Olfaktorische Typen sprechen vom "richtigen Riecher" oder einem "unangenehmen Beigeschmack". Die Kenntnis dieser Typologie verbessert den Draht ("Rapport") des Therapeuten zu seinem Klienten.

"Einem kinästhetischen Typ kann es auf die Nerven gehen, immer wieder sagen zu müssen, daß er den Partner liebt", sagt Alexa Mohl, Managementtrainerin in Hannover. "Ein auditiver Typ kann enttäuscht sein, wenn der Partner kein Vertrauen in seine Worte hat und ständig sichtbare Liebesbeweise verlangt." Im NLP-Training sollen Menschen lernen, zu welchem Typ sie gehören und wie sie sich auf die Wellenlänge anderer einstellen können.

Auch sogenannte Anker, das sind Auslöser für erwünschte Reaktionen, spielen bei den Behandlungen eine wichtige Rolle. Melodien wecken bestimmte Emotionen, das Bild eines Klassenzimmers erinnert an schulische Qualen, ein bestimmter Geruch an die Kindheit. "Alles, was uns etwas bedeutet, ist ein Anker", sagt Stahl.

Geschickt eingesetzt, wie das Fingerschnipsen im Fall von Ariane, hält NLP-Guru Bandler das Ankern für "eine der besten heimlichen Techniken, die "Therapeuten oder Kommunikatoren anwenden können". Hans Metzger, der für eine große deutsche Bank Fortbildungsseminare leitet, spricht von einem "feinen Besteckkasten" in Sachen Kommunikationsschulung.

Die Methoden laden allerdings auch zu Mißbrauch ein. "NLP macht die verdeckte Beeinflussung anderer zu deren Nachteil möglich", räumt Trainerin Mohl ein. Bandler und Grinder, so ihr Vorwurf, "berücksichtigen nicht, daß sie ihr Wissen den Mitgliedern einer Welt vermitteln, in der Macht ungleich verteilt ist und Zugang zu Wissen nicht allen gleichermaßen offensteht".

Der Bielefelder Psychologe Wilhelm Nolting bringt die Skepsis auf den Punkt: "Lernen mit NLP", sagt er, sei "hoch wirksam, setzt aber einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik voraus". Er vergleicht die Wunderwaffe mit einem Messer: "Man kann damit exzellent Brot schneiden, aber auch jemanden schwer verletzen."


Quelle: DER SPIEGEL 47/1993, S. 150-58.


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Der Inhalt dieser Seite wurde am 10.03.2021 um 12.44 Uhr aktualisiert.
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