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Lesezeichen [ Info senden # QR-Code ] Do 28 März 2024 15:54:44


 Pressespiegel
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Dubiose Coachings

Meditieren für den höheren Profit

Gestern am Abgrund, heute einen Schritt weiter: Vorsicht vor Psychoseminaren für Führungskräfte

Was haben Führungskräfte in Pferdeställen verloren, Mitarbeiter in Psychoseminaren und Hobby-Therapeuten in Unternehmen? Rein gar nichts, zürnt Personalmanager Viktor Lau. Im Interview warnt er vor Management-Esoterik und gefährlichem Halbwissen von Coaches.

KarriereSPIEGEL: In Ihrem "Schwarzbuch Personalentwicklung" werfen Sie Personalmanagern vor, häufig mit irrationalen und esoterischen Methoden zu arbeiten. Ist das wirklich so verbreitet?

Lau: In den fast 20 Jahren, in denen ich im Bereich Weiterbildung und Personalentwicklung bei verschiedenen Unternehmen tätig bin, habe ich schon viel Absonderliches erlebt. So ließ eine Bank Führungskräfte mit Schwertwalen trainieren, sattelte dann aber buchstäblich auf Pferde um und setzt heute auf Lamas. Eine Unternehmensberatung schickte neue Mitarbeiter erst einmal verpflichtend zu einem fragwürdigen Psychoseminar am österreichischen Mondsee, und viele Unternehmen rekrutieren ihre neuen Mitarbeiter auf der Basis abwegiger Typologien. Da hat sich längst eine unheilvolle Managementesoterik mit obskuren Angeboten ausgebreitet. Für mich ist das ein Verstoß gegen die Prinzipien der aufgeklärten Moderne.

KarriereSPIEGEL: Sie meinen, dass Personalmanager zu viel Geld für Unsinn ausgeben?

Lau: Allerdings - für Dinge, die sachlogisch unplausibel sind, keinen empirisch abgesicherten Hintergrund haben und für die es keine überzeugenden Wirkanalysen gibt. Das Geld für derlei Veranstaltungen muss von den Mitarbeitern mühsam verdient werden. Zudem werden damit die rationalen Grundlagen der Unternehmensführung unterlaufen, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und schutzwürdige Interessen der Beschäftigten missachtet.

KarriereSPIEGEL: Greifen Sie da nicht etwas hoch ins Regal?

Lau: Ich halte es für sehr bedenklich, dass man mit manchen Methoden den Mitarbeitern auch religiös und spirituell zu Leibe rücken will, um sie noch stärker in den betrieblichen Verwertungsprozess einzufügen. So soll noch das Unverfügbarste des Menschen verfügbar gemacht werden, um den Mitarbeiter restlos zu "domestizieren". Letztlich geht es ums Meditieren für den höheren Profit.

KarriereSPIEGEL: Kann man denn im Job die Psychologie der Persönlichkeit ganz ausklammern?

Lau: Die Grenze verläuft immer da, wo es therapeutisch wird. Höchst problematisch ist, dass viele Coaches heute anfangen zu therapieren. Wer als Kind im Sandkasten verprügelt wurde und noch heute darunter leidet, der sollte zum Therapeuten und nicht zum Coach gehen. Ein seriöser Coach arbeitet pragmatisch an konkreten Problemen im Job.

KarriereSPIEGEL: Elemente aus der Psychotherapie sind aber heute Bestandteil vieler Methoden in der Weiterbildung.

Lau: Genau das ist das Problem. Psychotherapeutische Modelle, Konzepte und Versatzstücke gehören nicht in die Personalarbeit, zumal deren Einsatz oft ohne Einwilligung der Mitarbeiter stattfindet. Zudem verfügen die meisten Trainer und Coaches über keine solide psychotherapeutische Ausbildung. Häufig sind das Betriebswirte, Techniker oder Informatiker mit pseudoakademischen Weiterbildungen, die in ihrer Lebensmitte plötzlich die große weite Welt der Psyche entdecken.

KarriereSPIEGEL: Auf Ihrer Negativliste steht auch das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP), eine Sammlung verschiedener Kommunikationstechniken und Methoden zur Veränderung psychologischer Abläufe im Menschen. Warum?

Lau: NLP ist die Psychotechnik der Personalentwicklung, und das schon seit Jahrzehnten. Dabei ist sie nichts anderes ist als eine Verschmelzung von ungeprüften Hypothesen und Versatzstücken des Positiven Denkens. Dass NLP trotz jahrzehntelanger Praxis keine einzige ernstzunehmende empirische Bestätigung erfahren hat, stört offenbar niemanden. Dabei wurden sogar alle wesentlichen Prinzipien dieser Psychotechnik längst eindeutig widerlegt, etwa die funktionale Trennung des Gehirns in zwei Hemisphären. Dennoch treibt gerade NLP immer seltsamere Blüten.

KarriereSPIEGEL: Welche meinen Sie?

Lau: Die Innovationszyklen von NLP und anderen beliebten Methoden der Personalentwicklung werden immer rasanter und riskanter. Längst haben sich neben NLP veritable medizinische Apparaturen, traumatherapeutische, kinesiologische und alle möglichen anderen alternativmedizinschen Prozeduren im Portfolio von Coaches und Managementberatern etabliert. Neben evidenzbasierte Methoden tritt der pure Humbug. Und ein gerüttet Maß an Halbbildung. Denn eine wissenschaftlich fundierte Kenntnis psychotherapeutischer Verfahren kann längst nicht bei allen Coaches oder Trainern vorausgesetzt werden. Im Ernstfall ist so jemand nicht einmal ansatzweise in der Lage, mit unerwarteten Wirkungen verantwortungsvoll umzugehen.

KarriereSPIEGEL: Was kann dann passieren?

Lau: Seriöse Personalentwicklung hat grundsätzlich von rationalen, gesunden, nicht therapiebedürftigen Menschen auszugehen. Trotzdem ist natürlich nicht auszuschließen, dass der eine oder Mitarbeiter sich in einem psychischen Konflikt, in einem schwierigen familiären Umfeld oder einer beruflichen Stress-Situation befindet, die professioneller Hilfe bedarf. Wenn selbsternannte Therapeuten ohne soliden Hintergrund dann aktiv werden, kann es wirklich gefährlich werden. Das Risikospektrum reicht vom mehr oder weniger harmlosen Weinkrampf bis hin zur realen Retraumatisierung. Ernsthafte Probleme mit Krankheitswert gehören nicht in die Hand von Coaches oder Trainern, sondern in die Obhut von professionellen Ärzten oder Therapeuten.

KarriereSPIEGEL: Die systemische Beratung, bei der es um die Analyse und Stärkung des jeweiligen Systems - wie das Unternehmen oder das Team - geht, bezeichnen sie sogar als neuen Katholizismus.

Lau: Die systemische Beratung ist zu einer wirkungsmächtigen Disziplin in der Personalentwicklung geworden. Sie stützt sich auf einen recht verwegenen Theorie-Eklektizismus. Die Anhänger basteln sich einen Mix aus Konstruktivismus, Kybernetik, Systemtheorie und sogar Quantenphysik zusammen. Dabei verfügen nur wenige über ein fundiertes Verständnis dieser Grundkonzepte. In der Praxis greifen alle mehr oder weniger auf dasselbe Repertoire der systemischen Familientherapie zurück - und das hat im Betrieb schlicht nichts verloren. Zudem gerät die systemische Beratung immer stärker in die esoterisch-spirituelle Ecke. Der Geschäftsführer einer renommierten "systemischen" Beratergruppe erklärte dazu: Erst wenn wir den Menschen auch spirituell erobern, rufen wir seine letzten Potentiale ab. Damit wird deutlich, worum es in Wirklichkeit geht.

KarriereSPIEGEL: Sie kritisieren auch Tests zu Persönlichkeitstypen. Was missfällt Ihnen daran?

Lau: Typentests wie DISC oder MBTI und ihre zahlreichen Produkt-Derivate halte ich für problematisch. Sie basieren unter anderem auf kursorischen Ausführungen des Psychoanalytikers C.G.Jung und damit auf dem Erkenntnisstand Anfang des 20. Jahrhunderts. Dahinter stehen logisch nicht nachvollziehbare, empirisch längst widerlegte oder aber nie bewiesenen Theorien. Für die Personalarbeit sind sie daher gänzlich ungeeignet.

KarriereSPIEGEL: Und warum fallen Personaler darauf herein?

Lau: Die Tests sind gut gemacht, die Anbieter betreiben geschicktes Marketing und setzen auf Effekthascherei. Die funktioniert natürlich bestens, wenn auf der Abnehmerseite psychologisch kaum ausgebildete Personalmanager sitzen, die sich durch rhetorisch versierte Hobby-Psychologen beeindrucken lassen.

Zur Person

Viktor Lau (Jahrgang 1966) studierte Philosophie, Geschichte, Germanistik und Betriebswirtschaft. Er war über zehn Jahre als Berater tätig und danach in einem Dax-30-Konzern verantwortlich für die strategische Personalentwicklung. Heute leitet er die Personal- und Organisationsentwicklung in einer norddeutschen Universalbank. Kürzlich erschienen ist sein Buch "Schwarzbuch Personalentwicklung - Spinner in Nadelstreifen".


Quelle: SPIEGEL ONLINE und manager magazin online, 26. Oktober 2013.


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Der Inhalt dieser Seite wurde am 10.03.2021 um 12.44 Uhr aktualisiert.
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