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Lesezeichen [ Info senden # QR-Code ] Fr 29 März 2024 07:55:37


 Pressespiegel
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Im therapeutischen Höhenrausch.
Die "Neurolinguistischen Programmierer" versprechen das schnelle Glück und den Geist Albert Einsteins.

Von Thomas Saum-Aldehoff

Während die großen psychotherapeutischen Schulen, von der Verhaltenstherapie bis zur Psychoanalyse, in geschlossenen Zirkeln über die beste Theorie und Methode streiten, hat sich jenseits des wissenschaftlichen Elfenbeinturms ein grauer Markt "alternativer" Therapien ausgebreitet. Diese oft esoterisch angehauchten Verfahren erfreuen sich beim Publikum wachsender Beliebtheit, wie die Flut einschlägiger Kleinanzeigen belegt. Hier wird ein buntes Kaleidoskop von Selbsterfahrungs-Workshops und Ausbildungen in Reiki, Farb-, Aroma- oder Astrotherapie feilgeboten. Spitzenreiter auf diesem therapeutischen Basar, so ermittelten die Baseler Psychiater Asmus Finzen und Ulrike Hoffmann-Richter in einer einjährigen Anzeigen-Analyse, ist das "Neurolinguistische Programmieren" (NLP). Anfang der 80er Jahre aus den USA importiert, entwickelte sich NLP hierzulande binnen kurzem zur Modetherapie mit einer kaum noch überschaubaren Zahl konkurrierender "Ausbildungsinstitute". Dort, so schreibt der Münchner Psychologe Colin Goldner in seinem Buch "Psycho-Therapien zwischen Seriosität und Scharlatanerie" (Pattloch-Verlag 1997), können sich Interessierte allein per Fernkurs oder Kurzzeit-Workshop zum NLP-"Praktiker" befördern lassen: "Der ,Grundkurs' dauert in der Regel zwei Tage, zum ,Praktioner' kann man sich in zwei Wochen ausbilden lassen, in weiteren zwei Wochen zum ,Master Practioner' (Gesamtkosten: zwischen 7000 und 10 000 Mark)."

"Powervolle" Technik

Der Erfolg der Neuroprogrammierer basiert darauf, daß sie schnelle Therapieerfolge bei minimaler Anstrengung versprechen. "Heute haben viele zigtausend Menschen NLP-Ausbildungen absolviert", heißt es in der Verlagsankündigung eines Buches über "powervolle" Techniken, und großspurig geht es weiter: "Sie können in einer einzigen Sitzung Lernen beschleunigen, Phobien neutralisieren, Kreativität steigern, Beziehungen verbessern und Allergien beseitigen. (...) Wir können heute erreichen, was noch vor einem Jahrzehnt Genies vorbehalten war."

Das ist durchaus wörtlich gemeint. In seinem Buch "Einstein" verspricht der NLP-Altvordere Robert Dilts, per neurolinguistischer Programmierung die "genialen Denkstrukturen" des berühmten Physikers zu erlernen. "Unterwegs zur Vollkommenheit", "Die Magie der Erfolgreichen", "Think like a winner!" oder "Sport in State of Excellence": Buchtitel, die den Größenwahn spiegeln.

Wissenschaftlich geerdet ist dieser therapeutische Höhenrausch freilich nicht. Sogar die NLP-Therapeuten selbst kommen wie Gernot Schauer zu dem ernüchternden Fazit, daß die Neuroprogrammierer eine empirische Erforschung und Erfolgskontrolle ihrer Verfahren fast gänzlich unterlassen haben: "Es existieren zwar einige Ansätze zu Feldstudien innerhalb der NLP-Szene, diese wurden bisher jedoch kaum publiziert." Der Psychotherapieforscher Klaus Grawe rechnet NLP denn auch zu jenen Verfahren, für die "bisher jede stichhaltige Wirksamkeitsuntersuchung (fehlt) und damit das Minimalkriterium dafür, daß man von einer wissenschaftlich fundierten Therapieform sprechen kann".

Gernot Schauer rechtfertigt diese forscherische Abstinenz mit dem Hinweis, daß die NLP-Gründerväter Richard Bandler und John Grinder schlichtweg "kein Interesse an einer wissenschaftlichen Fundierung" hatten, als sie im Kalifornien der 70er Jahre ihren therapeutischen Methodenmix entwickelten. Der Psychologe und der Linguist wurden von der Vermutung getrieben, daß nicht der theoretische Hintergrund den Erfolg guter Therapeuten ausmacht, sondern deren praktisches Vorgehen. So schauten Bandler und Grinder drei damals berühmten Therapeuten unterschiedlicher theoretischer Ausrichtung bei der Arbeit über die Schulter: der Familientherapeutin Virginia Satir, dem Gestalttherapeuten Fritz Perls und dem Hypnotherapeuten Milton Erickson. Die beiden Beobachter analysierten die Sprache und Körpersprache der drei "therapeutischen Magier" und destillierten sozusagen als Essenz aus deren Vorgehen Interventionstechniken, die zum Grundstock der NLP-Schule wurden.

Ein zentrales Vorgehen ist dabei das "Pacing und Leading". Der Therapeut "schwingt" sich zunächst sprachlich und nonverbal auf den Klienten ein, übernimmt dessen Sitzhaltung, Atemrhythmus, Mimik, Gestik, Sprechweise und Stimmlage. Er beobachtet auch, durch welchen "Sinneskanal" der Klient die Welt bevorzugt wahrnimmt, erinnert und beschreibt: Verwendet er optische Metaphern, so streut auch der Therapeut Wörter wie "groß" oder "bunt" in seine Sprache ein; scheint ihm der Klient eher akustisch orientiert, so verwendet auch der Therapeut Begriffe wie "dröhnend" oder "melodisch". Auf diese Weise, so vermuten die NLPler, verstärkt sich der Kontakt und Gleichklang (Rapport) zwischen Behandeltem und Behandler - der Klient fühlt sich aufgehoben und entspannt. In diesem Zustand versucht nun der Therapeut, den Klienten sachte zu führen. Er verändert zum Beispiel unmerklich seine Sitzhaltung und beobachtet, ob sein Gegenüber ihm folgt. Ist dies der Fall, beginnt er nun Schritt für Schritt, den Klienten auch sprachlich und gedanklich auf das vereinbarte Therapieziel hinzulenken. Hinter der Bezeichnung "Neurolinguistisches Programmieren" steckt die Annahme, daß sich durch solche "linguistische" - sprachliche - Interventionen beim Klienten unbewußte "Programme" und Verschaltungen von Nervenzellen ("neuro") verändern und umprogrammieren lassen. Der Patient selbst legt vor der Therapie fest, in welchen "Soll-Zustand" er programmiert werden will. Die Neuroprogrammierer unterscheiden in kindlich anmutender Schlichtheit zwischen "guten" und "schlechten" Erlebenszuständen. Tritt ein schlechter Ist-Zustand auf, etwa Angst, versucht der Therapeut, ihn mit Hilfe eines erinnerten "guten Zustands" zu neutralisieren.

Die Hand am Knie

Dabei bedient er sich unter anderem der Technik des "Ankerns". Der Klient vergegenwärtigt sich zunächst die Angst mit all den sie begleitenden Empfindungen und Gedanken. Der Therapeut verknüpft nun diesen psychophysiologischen Zustand mit einem "Anker", zum Beispiel einer Berührung am linken Knie. Dann fordert er den Klienten auf, sich in der Erinnerung in eine Situation zurückzuversetzen, in der er sich entspannt und selbstsicher fühlte.

Diesen Zustand kennzeichnet der Therapeut mit einem weiteren Anker, etwa einem Druck aufs rechte Knie. Berührt der Therapeut nun beide Knie simultan, so löst er laut NLP-Theorie damit im selben Moment beide Anker und damit miteinander unvereinbare physiologische Zustände aus. Die Angst wird durch die gleichzeitige Anwesenheit der Entspannung "neurologisch" ausgelöscht.

Die Methode ähnelt der "Klassischen Konditionierung" der Verhaltenstherapie, so wie überhaupt viele NLP-Techniken an Verfahren anderer therapeutischer Schulen anlehnen. Der therapeutische Anspruch geht über das Beseitigen von Symptomen hinaus. Gemäß dem Motto "Gut drauf sein, auch wenn's schief geht" (so ein NLP-Buchtitel) wird eine persönlichkeitsumfassende Allround-Zufriedenheit angestrebt. Der Klient formuliert nach Manier der positiven Denker die Ziele: "Ich lebe in Zufriedenheit und trete schwierigen Situationen mit Gelassenheit entgegen"; "ich trage die Fähigkeiten zur Lösung all meiner Probleme in mir". Dieser zunächst harmlos anmutende therapeutische Größenwahn wird spätestens dann bedenklich, wenn er auf Menschen trifft, die "einer ganz anderen Ansprache bedürfen", schreibt der Frankfurter Therapeut und Managementtrainer Norbert Copray in der Zeitschrift Psychologie Heute. Copray gibt zu bedenken, daß positive Suggestionen nach NLP-Manier "für einen Menschen, der dazu neigt, Probleme, Krisen, Persönlichkeitsaspekte zu leugnen, Gift sein können, weil sie ihn in seiner Lebenslüge nur weiter bestärken". Und der Hamburger Sozialpädagoge Rolf Winiarski ergänzt: "Während bei anderen Verfahren der Klient das Lernen selbst besorgen muß, bastelt ihm das NLP schöne neue Programme, schnell und easy wie die Mikrowelle." Keine schmerzhaften Einsichten in eigene Fehler und Unzulänglichkeiten, keine mühsamen Veränderungen, keine echte Beziehung zwischen Klient und Therapeut, statt dessen ein zum Zwecke der Beeinflussung technisch hergestellter "Rapport" und viel "suggestives Brimborium" (Goldner).

"NLP bedient auch in der Art, wie es beworben wird, die Erwartung an eine leicht faßliche, schnell erlernbare und zum Erfolg führende Allerweltsmethode", rügt Copray. Kein Wunder, daß NLP-Seminare vor allem bei Managern und Krämern zum Schlager wurden. In Büchern über "NLP im Verkauf" wird den vereinigten Gebrauchtwagenhändlern dieser Welt versprochen: "Der Erfolg wird nicht auf sich warten lassen. Sie werden Geschäfte abwickeln, die Ihnen zuvor nicht gelungen sind." Unter dem Motto "Verdreifache Dein Einkommen" sollen sich graue Verkäufer zur "powervollen" Umsatzkanone mausern. Wenn Müdigkeit oder gar Zweifel an ihrem Tun an ihnen nagen, werden rasch energiespendende "Ressource-Zustände" zu Bewußtsein geführt, "um immer größere Herausforderungen zu meistern".

Diese Klientel hat den Vorteil, daß sie sich nicht mit den ethischen Ansprüchen und Bedenken der Therapeuten herumzuquälen braucht und das NLP-Repertoire gegenüber ihren Kunden zu jenem Zweck einsetzen kann, zu dem es ganz offensichtlich taugt: zur gezielten Manipulation.


Quelle: Frankfurter Rundschau, 27.09.97.


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Der Inhalt dieser Seite wurde am 10.03.2021 um 12.44 Uhr aktualisiert.
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